Neophyten und Neozoen

Unter Neophyten und Neozoen versteht man gebietsfremde, also nicht einheimische Pflanzen bzw. Tiere, die sich in der Natur etabliert haben und sich somit vermehren können. Dazu zählen beispielsweise der Götterbaum, der Riesen-Bärenklau, das Drüsige Springkraut oder die externe SeiteAsiatische Tigermücke (Aedes albopictus). Die Schweizer Flora zählt ungefähr 3200 Arten, darunter 500 bis 600 Neophyten. 58 Arten werden zu den invasiven oder potentiell invasiven Neophyten gezählt (vgl. externe Seiteinfo flora).

Mit Hilfe der beiden Feldexperimente "Tigermücke" und "Akabia quinata" soll den Studierenden das Ausmass der Neophyten und Neozoen Ausbreitung und Thematik näher gebracht werden. Es geht dabei besonders um Bedeutung, Gefahren und Aufklärung von Neophyten und Neozoen als auch um Massnahmen zur Überwachung und Bekämpfung invasiver Arten.

Aufgabenstellungen

Im Rahmen zweier Kartierungen sollen die Studierenden

  1. potentielle Brutstätten der Tigermückenlarven in den Gemeinden Sementina (2014) bzw. Arbedo-Castione und Bellinzona (2015) im Tessin erfassen. Damit sollen folgende Fragestellungen bearbeitet werden: Wo gibt es potientelle Brutgebiete von Tigermückenlarven in den Gemeinden? Welche Arten von Brutstätten sind vorherrschend? Ist ein räumliches Muster zu erkennen? Wie kann die Tigermücke bekämpft werden und welche Massnahmen sind hierfür notwendig? Lassen sich Auswirkungen der in gewissen Gemeinden durchgeführten Prävention anhand der erfassten Daten erkennen?
  2. die natürliche, vegetative Ausbreitung von externe SeiteAkebia quinata (Schokoladenwein), einer lokal invasiven ostasiatischen Lianenart bei Tegna (TI) kartieren. Ziel der Kartierung ist, das Ausmass der Konkurrenz zu einheimischen Pflanzenarten zu visualisieren. Dies soll wiederum als Diskussionsgrundlage zu Gefahren und Schäden durch Neophyten für die Umwelt und den Menschen dienen. Probenahmen über mehrere Jahre sollen Annahmen zur zeitlichen Komponente der vegetativen Ausbreitung ermöglichen. 

Für die Durchführung wurden zwei Feldexperimente vorbereitet.

Feldexperiment "Tigermücke"

Die Erfassung der potentiellen Tigermücken-Brutstätten erfolgte durch Begehung der Gemeinde. Kartiert wurden - unter Nutzung der Collector for ArcGIS App -  die Lokalisation folgender vier Brutstätten-Typen: (1) Gully, (2) Wasserfass, Autopneu, (3) Wasserlache und (4) Regentraufe (Regenrinne).

Für dieses Experiment waren keine weiteren Materialien notwendig.

Im Jahr 2015 erfolgte die Probenahme mit der gleichen Methodik in Gebieten mit Prävention (Nord-Bellinzona) und ohne Prävention (Arbedo Zentrum). Den Studierenden wurden vorgängig Routen zugeteilt und im App sichtbar gemacht.

Tigermücke
Screenshots der Ansicht auf dem Mobilgerät: links: Sammelgebiete in Sementina (TI) mit Autobahnraststätte Bellinzona-Sud am oberen Ende der grünen Zone; rechts: Kategorien der erfassten potentiellen Brutstätten der Tigermücke

Feldexperiment "Akebia quinata"

Für die Kartierung der "Akebia quinata" wurden 20 x 20 Stichprobenpunkte in einem Abstand von jeweils 2 m berechnet und in der Collector for ArcGIS App dargestellt. Allen Stichbodenpunkten wurde per Default die Eigenschaft "Nicht definiert" zugewiesen. Die Kartierung erfolgte ebenfalls mit der Collector for ArcGIS App. Im Gegensatz zum Feldexperiment "Tigermücke" wurde jedoch kein neues Feature erfasst, sondern lediglich die Eigenschaft des Stichprobenpunktes angepasst. Zur Auswahl standen dabei: "vorhanden" und "nicht vorhanden".

Akebia Experiment

Crowd-Sampling Phase

An der Exkursion im Jahr 2014 nahmen 31 Studierende, eingeteilt in Zweiergruppen (eine Dreiergruppe) teil. Beide Kartierungen erfolgten in Echtzeit, so dass die Studierenden die erfassten Brutstätten bzw. die bearbeiteten Stichprobenpunkte der anderen Gruppen unmittelbar sehen konnten.

Für die Kartierung der Tigermücke wurde 2014 das Gebiet um die Autobahnraststätte "Bellinzona-Sud" in fünf Zonen unterteilt und jeder Zone 3 bzw. 4 Gruppen zugeteilt. Wurde eine potentielle Brutstätte gefunden, so konnte der Typ via "Neues Feature erfassen" ausgewählt werden. Die Lokalisation erfolgte automatisch via integriertem GPS, eine Anpassung konnte manuel mit Hilfe der Hintergrundkarte erfolgen. In der zur Verfügung stehenden Zeit von etwa 30 Minuten wurden ca. 400 Objekte kartiert, der Anteil an "Gullys" ist dabei mit einer Anzahl von 305 Objekten dominierend.

Bei der Exkursion 2015 erfolgte die Probenahme in 2er-Gruppen entlang von zuvor festgelegten Routen und ausgehend von zwei Startpunkten. Innerhalb von 30 Minuten wurden 570 Objekte erfasst. Davon waren 92 offene Gefässe, auf deren Vermeidung die Prävention hauptsächlich abzielt.

Zur Erfassung des Vorkommens der Akebia quinata (nur 2014) musste jede Gruppe eine Reihe von 20 Stichprobenpunkte bearbeiten. Innerhalb von 10 Minuten konnten 190 Quadranten untersucht werden, in 133 davon wurde ein Ableger der Pflanze gefunden.

Vergrösserte Ansicht: Erfassen von potentiellen Mückenbrutstätten (links) und Ausbreitungsradius einer neophytischen Pflanze
Links: Darstellung von verschiedenen Arten von stehendem Wasser mit Potential zur Tigermückenbrutstätte im Gemeindegebiet von Sementina, TI. Die farbigen Flächen bezeichnen unterschiedliche Sammelzonen. Rechts: Wuchsgebiet eines Exemplars von Akebia quinata in einem Waldstück bei Tegna, TI. Grüne Punkte bezeichnen 2m x 2m Flächen, in der die Pflanze vorkommt, in rot markierten Quadranten ist sie nicht vorhanden, weiss markierte Quadranten wurden nicht untersucht.
Vergrösserte Ansicht: Offene Gefässe als potentielle Brutstätten Quartieren mit und ohne Prävention bei Bellinzona: Orte, Dichte und Radien
Fundstellen von offenen Gefässen und Darstellung der Dichte von potentiellen Brutstätten und Verbreitungsradien mit ArcGIS-Online. Linke Abbildung: Collector-App Darstellung der Fundstätten im Norden von Bellinzona (Bevölkerung durch Behörden informiert, südlich) und in Arbedo (ohne öffentliche Prävention, nördliches Sammelgebiet). Rechte Abbildung: Nach dem Sammeln mit dem ArcGIS-Online Analysetool erzeugte Darstellung: 50 m Radien um Fundstellen (blau, intensiver mit zunehmender Anzahl Fundstellen) und Dichte an offenen Gefässen (violett). Die Ausbreitungsdistanz adulter, also potentiell Eier ablegender Tigermücken beträgt maximal ca. 100 m.

Diskussion

Die Erfassung der verschiedenen potentiellen Brutstätten für die Tigermücken hat auf beiden Exkursionen zwei Aspekte besonders anschaulich dargestellt: 1) Die Regenwasser-Gullys sind sehr zahlreich, die Prävention kann aber durch die Gemeinde organisiert werden. 2) Die Vermeidung von offenen Gefässen liegt in der Hand der Bevölkerung und wird unterschiedlich gut durchgeführt. Beim gewählten Vorgehen lassen sich die auf privatem Grund gelegenen Gefässe auch bei weitem nicht vollständig erfassen. Bei der Datenerfassung mit Studierenden gilt daher die Annahme, dass die Häufigkeit von potentiellen Brutstätten der Häufigkeit der erfassbaren in einem Gebiet entspricht.

Die Ausbreitungsdistanz adulter, also potentiell Eier ablegender Tigermücken beträgt maximal ca. 100 m. Die Verbreitung könnte also stark eingeschränkt werden, wenn die Entfernung zwischen potentiellen Brutstätten grösser als 100 m ist. Unter der Annahme, dass die Gemeinden die Gullys behandeln, geben die Abstände zwischen den vorhandenen Wassergefässen einen Anhaltspunkt, ob in einem Gebiet die Möglichkeit zur ungebremsten Ausbreitung über mehrere Generationszeiten bestünde. (Generationszeit ca. 7-14 d). Dies geschah bei den beiden bisherigen Exkursionen direkt mit den aufgenommenen Datenpunkten, in Zukunft werden dazu grafische Analysen verwendet, die direkt nach Sammelende via ArcGIS Online durchgeführt und den Karten hinzugefügt werden können (siehe Abbildung oben, rechts)

Die Studierenden kamen bei der Datenerhebung mit der lokalen Bevölkerung ins Gespräch und erfuhren so direkt, wie ernst die Prävention genommen wird und welche Massnahmen bereits ohne öffentliche Präventionsmassnahmen getroffen werden. Die Exkursion 2015 ergab, dass in Gemeinden mit und ohne Prävention ähnlich viele Brutstätten vorhanden sind und dass es "Hotspots" in bestimmten Quartieren gibt, wo allenfalls mit verstärkter Information seitens der Behörden noch eine Verbesserung erreicht werden könnte.

Neben den fachlichen Fragen (siehe oben) müssen sich die Studierenden bei diesem Beispiel auch mit rechtlichen und organisatorischen Fragen beschäftigen. Darf ein Hinterhof betreten werden? Wie gross sind die Fächen, in denen keine Aufnahme erfolgen konnte? Sind die Annahmen sinnvoll?

Die Bestimmung der Ausbreitung von Akebia quinata  wurde nur 2014 durchgefüht und 2015 aus Zeitgründen weggelassen. Es ist vorgesehen, 2016 denselben Standort wieder zu erfassen, um Ausbreitung oder Rückzug zu dokumentieren. Bei der einmaligen Erfassung konnte aber festgestellt werden, dass die Ausbreitung bereits an schmalen Wildwechseln zum Stillstand kommt.

Feedback

Das Feedback zur Exkursion sowie zu den beiden Feldexperimenten war überwiegend positiv, wie nachfolgende Rückmeldungen zeigen:

  • "Die Aufnahmen der möglichen Brutstättem mittels der App fand ich sehr innovativ."
  • "... Auch die Kartierungsübungen waren eine gute Idee."
  • "Es war erstaunlich zu sehen, wie viele Pflanzen ursprünglich gar nicht aus der Schweiz kommen. Zudem war es interessant diese App zum Kartieren auszuprobieren."
  • "Sehr gute und interessante Ausführungen zum Thema, Kartierung war toll, schöne Wanderung."
  • "Ich sah die Schwierigkeiten, eine geeignete Menge an Daten zu erfassen und habe Methoden gelernt (z.B. Esri-App) um dieses Problem zu lösen. Zudem lief ich zum Schluss aufmerksamer durch die Natur."

Daneben gab es aber auch eine sehr negative Rückmeldung: "... Ausserdem finde ich die Arbeit mit dem Smartphones/Tablets nicht geeignet für eine Exkursion. Erstens kann man (noch) nicht voraussetzen, dass jeder ein solches Gerät besitzt. Zweitens ist es sehr schwierig, dass dann auch alle Geräte so funktionieren, wie sie sollten. ... Ausserdem ist die Arbeit mit dem Smartphone/Tablet ermüdend und langweilig. ..."

Lessons Learned

Massnahmen aufgrund der Datenlage diskutieren. Nach der reinen Analyse (gibt es Ausbreitungskorridore, wieviel Aufwand bedeutet das Behandeln von Gullys) können aus den Daten auch spezifische Massnahmen zur Verbesserung der Prävention vorgeschlagen ("Nachinformation") und mit dem Verantwortlichen besprochen werden. Dazu ist eine möglichst aussagekräftige Darstellungsart der Resultate hilfreich.

Analysetools von ArcGIS Online vermehrt nutzen. Die unmittelbare Aussagekraft der gesammelten Daten kann mit geeigneten Analysen für die Diskussion noch verstärkt werden. Die Analyse kann über das Web-Inteface ausgelöst werden.

Studierende auf Kontakt mit Bevölkerung sensibilisieren. Während der Datenerfassung kamen die Studierenden vermehrt mit der Bevölkerung in Kontakt, erfuhren dabei Details der Prävention oder konnten die Einwohner darauf aufmerksam machen. Die Aspekte könnten verstärkt werden, indem die Studierenden aktiv bei der Bevölkerung nachfragen, ob sie auch nicht zugängliche Gebiete besichtigen können.

Einschränkungen beim GPS. Bei Datenaufnahmen im Wald muss aufgrund der sehr ungenauen GPS-Ortung die Positionierung durch das Festlegen von sichtbaren Referenzpunkten im Gelände ersetzt werden.

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